Haushaltsrede unserer Fraktionssprecherin

Veröffentlicht am 16.03.2020 in Aktuelles

Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Der ehemalige Bundeskanzler Österreichs Bruno Kreisky sagte einmal: „Man kann Umstände zur Kenntnis nehmen, darf aber nicht bereit sein, sie hinzunehmen.“ Dieses Zitat ist für mich nicht nur Ausdruck einer politischen Haltung, die auch uns dazu motiviert hat im Mai des vergangenen Jahres zur Gemeinderatswahl anzutreten, sondern auch Appell an uns alle. Denn: Vielen Menschen in Baden-Württemberg geht es gut – auch Engen steht gut da. Vielleicht muss man sogar sagen: Besonders Engen steht im regionalen Vergleich gut da. Wir haben eine solide Infrastruktur mit Freibad, allen Schularten, Bahn-Anschlüssen in alle Richtungen und Vielem mehr. Wir haben ein starkes Ehrenamt und Vereine, in denen sich weiterhin viele Bürgerinnen und Bürger engagieren und Engen zu dem machen, was es heute ist. Darüber hinaus haben wir vor Ort kaum Arbeitslosigkeit und sind bei alledem sogar noch schuldenfrei. Und das geplante Ergebnis für das Haushaltsjahr 2020 liegt auch wieder im positiven Bereich. So kann das Leben in unserer Stadt in gewohnter Weise und Qualität weiter gehen, mit allem was dazu gehört.

 

Trotzdem gibt es in unserer Gesellschaft und auch hier in Engen, eine latente Unzufriedenheit und Menschen, die sich gerade von der großen Politik abgehängt oder nicht verstanden fühlen.  

Politik ist immer Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Sie hat es aber auch in der Hand auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen, indem Sie unterschiedliche Zukunftsperspektiven aufzeigt. Das ist auch unser Auftrag: Unsere Stadt bereits jetzt als Engen 2030 zu denken und im Kleinen dafür zu sorgen, dass sich alle mitgenommen fühlen. Engen muss Perspektiven für jede und jeden bieten! 

Dazu gehört, dass man respektvoll miteinander umgeht, das Allgemeinwohl im Blick behält und auch den finanziell Schwachen die Möglichkeit bietet, an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Bürgerinnen und Bürger haben dabei meist ein gutes Gespür dafür, ob die Bemühungen von Stadt und Politik ernsthaft sind. Hier in Engen versucht die Stadtverwaltung gemeinsam mit uns als Stadträtinnen und Stadträte ihr Bestes, ein gutes Zusammenleben zu ermöglichen.  

Was den Dank an die Stadtverwaltung für ihr hervorragende Arbeit angeht, schließen wir uns unseren Vorrednern an. Frau Muscheler, wir haben uns ja zusammengesetzt und nicht zuletzt mitbekommen, welche Schwierigkeiten das neue Haushaltsrecht mit sich bringt – gerade was die Abschreibungen angeht bei einer Stadt wie Engen, die viel über das Notwendigste hinaus leistet. Daher freuen wir uns umso mehr, dass wir in diesem Jahr wieder mit einem guten Ergebnis dastehen. 

Wie Sie vielleicht schon gemerkt haben, möchten wir nicht allein Zahlen wiederholen, die bereits mehrfach genannt wurden. Stattdessen möchten wir als diejenigen, die heute die letzte Rede halten, die Chance nutzen und den Blick auf konkrete Projekte im Haushalt und zukünftige Entwicklungen in unserer Stadt werfen.  

Wir freuen uns, dass die Sanierung der Altstadt, aber vor allem auch im Bahnhofsbereich und der Breitestraße fest im Haushalt eigeplant ist und nun an den Start geht. Wir schaffen dadurch die Möglichkeit, Stadt neu zu denken und Neues zu schaffen. Ob Bahnhofsvorplatz, sicherer Rad- und Schülerverkehr in der Breitestraße oder eine einladende Hinführung zu einer hoffentlich belebten Altstadt: Städtebaulich sowie im konkreten Interesse aller Bürgerinnen und Bürger ist das Sanierungsgebiet der Meilenstein bei der Entwicklung unseres Ortskerns, der zur Lebensqualität aller und einer sozialen sowie ökologischen Entwicklung unserer Stadt beitragen kann. Gerade für die letzten beiden Punkte wollen wir kämpfen. Denn ein Haushaltsposten ist noch kein abgeschlossenes Projekt, liebe Damen und Herren.  

Mir persönlich ist dabei auch das Kornhaus wichtig – als ein Ort für alle Menschen in unserer Stadt und nicht allein für Investoren. Somit begrüßen wir bereits von Beginn an den angesetzten Architektenwettbewerb, dessen Ergebnisse am besten gemeinsam mit der Bürgerschaft diskutiert werden. Teilprivatisierungen sind hierbei möglich, aber auch mit Vorsicht zu genießen und sehr genau unter die Lupe zu nehmen.  

Ein andere Haushaltstelle, die wir hervorheben möchten, ist die umfassende sportliche Förderung, die im nächsten Jahr ansteht. Insgesamt 5,3 Millionen Euro, verteilt über die nächsten Jahre, stehen für den Neubau der alten Stadthalle – ein toller Entwurf von unserem Stadtbauamt – im Haushalt zur Verfügung. Und: 300.000 Euro zur Vorfinanzierung des Clubheims des Hegauer FV und langfristig bis zu zwei Millionen Euro für die Zusammenlegung seiner Spielflächen am Standort Welschingen sowie zur Modernisierung der Sportanlagen. Ein großer, finanziell kraftvoller Schritt nach vorne, der Generationen prägen wird. Denn unsere Vereine und Sportvereine leisten mehr als körperliche Ertüchtigung. Das Engagement bringt Menschen über die Stadtteile hinaus zusammen und dient als Anlass für sozialen Austausch und ein aktives Miteinander in der Gemeinde. Es leistet nicht nur wichtige Erziehungs- und Integrationsarbeit sowie gemeinsam mit unseren Schulen ebenfalls eine hervorragende Bildungsarbeit, die wir nicht missen möchten.  

Bildung, das wissen Sie, schließt auch die frühkindliche Bildung im Kindergarten und in Kindertagesstätten mit ein. Deshalb ist es auch gut und richtig, dass Engen seine Kapazitäten zur Kinderbetreuung ausbaut, um den Rechtsanspruch des Bundes weiterhin voll zu erfüllen. Auch hierfür ist ein immer größer werdender Betrag im Haushalt vorgesehen. Das ist wichtig, denn es geht hier um nicht weniger als die Zukunft unserer Kinder. Auch die neu eingeführte Ferienbetreuung ist grundsätzlich richtig und von uns beschlossen.  Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, bahnt sich bereits durch Rückmeldungen aus der Bürgerschaft an, dass einige Familien teilweise mit den Kosten von 70 Euro die Woche für eine Ganztagsbetreuung zu kämpfen haben. Auch wenn Eltern ihren Urlaub teilweise getrennt nehmen, obwohl sie die Zeit doch lieber gemeinsam verbringen würden, bleiben im Durchschnitt noch fünf Ferienwochen und damit 350 Euro pro Kind zuzüglich Essensgeldern. Dadurch entstehen für die Familien offenbar Probleme, die sich für Viele nicht wegdiskutieren lassen. Dies gilt es in Zukunft weiter in den Blick zu nehmen und zu überprüfen, ob sich das Konzept der Ferienbetreuung in diesem Rahmen bewährt oder wo Anpassungen vorgenommen werden müssen. Auch eine Entlastung der Familien sowie der Stadt über die Kitagebühren durch das Land Baden-Württemberg würden wir daher in Zukunft sehr begrüßen und wollen, dass sich unsere Vertreterinnen und Vertreter auch auf anderen Ebenen hierfür einsetzen. 

Engen 2030 bedeutet für uns, die Frage zu stellen, wohin wir eigentlich möchten, anhand welcher Linien sich unsere Stadt in Zukunft entwickeln soll. Zielkonflikte zu erarbeiten und Lösungen zu entwickeln: Wie schaffen wir beispielsweise Angebote für die teilweise älter werdende Stadtbevölkerung? Wie schaffen wir Barrierefreiheit, was sich in diesem Kontext immer mehr zur gesellschaftlichen Aufgabe entwickelt? Wie sichern wir die Entwicklung innerhalb unserer Ortsteile und die dazugehörige öffentliche Daseinsvorsorge langfristig als Stadt – trotz neuem Haushaltsrecht und wirtschaftlichem Abschwung.  

Hierfür stellen wir bereits in diesem Jahr die Weichen und haben einen guten Ansatz im Haushalt der Stadt. Als finanzstarke Kommune haben wir die Möglichkeit große Projekte zu stemmen, aber gleichzeitig die Pflicht, über die bloßen Zahlen hinauszudenken und an der Umsetzung vor Ort zu arbeiten. Ich freue mich außerdem, dass der Haushalt es zulässt, auch unter dem Jahr kleinere „Herzensprojekte“ weiterhin einbringen zu können und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber offen zu diskutieren. Wir wollen sagen: Für uns beginnt die eigentliche Arbeit erst jetzt.               

Vielen Dank für Ihr Interesse, das Zuhören und die bisherige Zusammenarbeit. Lassen Sie uns nun – mit diesem Haushalt – gemeinsam und entschlossen an der Zukunft unserer Stadt arbeiten, unabhängig von alten, vielleicht überholten Strukturen und parteilichen Hintergründen. Damit Engen nicht nur so bleibt wie es ist, sondern sogar noch besser wird!  

Die SPD Fraktion stimmt dem Haushaltsplan für das Jahr 2020 und der Haushaltssatzung einstimmig zu. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 

Conny Hoffmann, Fraktionssprecherin